Ganzheitliches Denken ist Voraussetzung für Erfolg in Veränderungsprozessen

Wandel in Ansichten und Einsichten: Ganzheitliches Denken ist Voraussetzung für Erfolg in Veränderungsprozessen



von Thomas Guttsche

Obwohl heute in jedem Konzern durchschnittlich parallel zwei bis drei größere Veränderungsprozesse ablaufen, glauben das mittlere Management und immer öfter auch das Senior Management nicht an den Erfolg der Veränderungsinitiativen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Befragung des Harvard Business Manager unter 116 Führungskräften. Nur jedes achte Veränderungsvorhaben sei heute ein Erfolg, jedes vierte ende als Fehlschlag. Die Gründe sehen Experten vor allem in den zwischenmenschlichen und sozialen Aspekten und damit einem unreflektierten Umgang mit Emotionen und Ängsten der Mitarbeiter. Durch eine ganzheitliche Vorgehensweise und die Integration des Whole-Brain-Ansatzes können Veränderungsprozesse erfolgreich umgesetzt werden.

Spiel, Satz und Sieg: Torsten Park weiß, wie Dinge zum Erfolg geführt werden. Der dreifache Familienvater ist Ex-Tennisprofi. Er weiß damit auch, welche Faktoren zu Niederlagen führen. Diese wertvollen Erfahrungen seiner Sportkarriere nutzt er in seiner zweiten Berufslaufbahn als Coach und Berater von Führungskräften. Seit mehr als zehn Jahren berät er große Organisationen bei Change-Prozessen und setzt dabei unter anderem die Denkstilanalyse des Hermann Brain Dominance Instrument (HBDI) ein. Jedes Jahr begleitet er Veränderungsprozesse und coacht Führungskräfte, die Veränderungen meistern müssen. Nicht selten wird Torsten Park hinzu geholt, wenn Veränderungsprozesse ins Stocken geraten oder in der Umsetzung an einem schwierigen Punkt angelangt sind. Für Torsten Park steht fest: „Viele Veränderungsprozesse scheitern an den weichen Faktoren.“

Winter 2010. Ein kalter Mittwochmorgen. Torsten Park steht im überheizten Konferenzraum eines Hamburger Hotels. Er hat sich mit der Führungsmannschaft eines Pharmakonzerns auf einem 4-farbigen Teppich versammelt. Der Teppich besteht aus 4 Quadranten – blau, grün, rot und gelb. Was nun folgt und für Außenstehende zunächst wie ein einfaches Spiel wirkt, hat einen tieferen Sinn. Die Farben des Teppichs repräsentieren die 4 Quadranten des Herrmann Modells und verdeutlichen die unterschiedlichen Denk- und Verhaltenspräferenzen der Teilnehmer. Durch das Modell lassen sich die bevorzugten Denkstile farblich einordnen, indem beispielsweise analytisches, fakten- und zahlenorientiertes Denken der Farbe Blau zugeordnet wird oder kreative und ganzheitliche Überlegungen der Farbe Gelb. In das Modell können ebenfalls typische Unternehmensprozesse wie Finanzen (Blau), Prozesse (Grün), Weiterbildung und Zusammenarbeit (Rot) oder Vision und zukünftige Trends (Gelb) übertragen werden. Dadurch wird eine ganzheitliche Sicht auf den Veränderungsprozess mit den Teilnehmern trainiert.

Torsten Park fragt die 20 Manager: „Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Veränderung? Was haben sie schon gut abgedeckt?“ Rund die Hälfte der Manager drängelt sich in dem blauen Quadranten. Dass auf diesem kaum ein Fuß mehr Platz findet, zeigt, dass viele Mitarbeiter meinen, es mangele im Veränderungsprozess nicht am analytischen, logischen, faktischen und zielorientierten Denken.

Fünf Teilnehmer stellen sich auf den grünen Teil des Teppichs, der für eine sequentielle, strukturierte und pragmatische Vorgehensweise steht. Der grüne Quadrant steht auch für Prozesse, Abläufe und beispielsweise das Einhalten von Regeln. Bei der Frage: „Wo sehen sie aktuell Ihre größten Defizite in der Veränderung?“ sortieren sich die Mitarbeiter spontan in den roten und in den gelben Quadranten um. Torsten Park fragt die Manager, warum sie sich hierher gestellt haben. Die Antwort lautet:„Es mangelt uns derzeit an Motivation, einer klaren Veränderungskommunikation, einem positiven Klima, die Veränderungen anzugehen; es herrschen im Gegensatz dazu starke Widerstände und viele unterschwellige Emotionen in den Geschäftsbereichen“. Dies sind Themen, die der rote Quadrant repräsentiert.

Die Antworten der Personen, die im gelben Quadranten stehen, besagen, es fehle den Mitarbeitern eine klare Perspektive, das „Warum“ würde zum großen Teil nicht verstanden und die strategische Richtung sei vielen unklar. Nach der klärenden Diskussion fragt Torsten Park weiter: „Wo liegen aus Ihrer Sicht die Themen, auf die Sie in den kommenden 2 Monaten verstärkt ihre gemeinsame Aufmerksamkeit legen müssen, um den Change-Prozess weiterzubringen?“ Eine weitere Diskussion beginnt, die den Teilnehmern hilft, ihre unterschiedlichen Perspektiven anzuerkennen und an einer einheitlichen Sicht der Veränderungsrichtung zu arbeiten. Das kurze Experiment zeigt: Durch ein Offenlegen der unterschiedlichen Perspektiven und durch reichhaltige Diskussionen erkennen die Manager ihre unterschiedlichen Präferenzen und Sichtweisen, aber auch die damit verbundenen Konfliktpotentiale. Das Herrmann Modell hilft Managern, sich der Veränderung verantwortungsbewusst zu stellen. Durch Whole Brain Thinking entsteht ein Kommunikationsrahmen, der Mitarbeiter dabei unterstützt, sich über die Veränderungen intensiv auszutauschen und sich auf eine gemeinsame Veränderungsrichtung festzulegen.

Sich dieser Tatsachen bewusst zu werden und im Denken gezielt abseits der bevorzugten Pfade unterwegs zu sein, wird als Whole Brain Thinking bezeichnet – Denken von unterschiedlichen Standpunkten aus. Herrmann International unterstützt Unternehmen, dieses „Whole Brain Thinking“ in der gesamten Organisation als gemeinsame Sprachplattform zu etablieren.

Für Torsten Park birgt die Erfahrung der Teilnehmer eine wichtige Dimension. Wenn Führungskräfte die Diskrepanzen untereinander körperlich erleben, werden ihnen die Probleme gemeinsam klar und damit besprechbar. Sie spüren, dass die Herausforderungen des Veränderungsprozesses anders gelagert sind als die Denkpräferenzen vieler Mitarbeiter. Die verschiedenen Standpunkte zeigen, welche Diskrepanzen zwischen den Veränderungen und dem Team liegen, das die Veränderung durchführen soll. Dies fokussiert, schafft Motivation und erhöht die Wirksamkeit im Veränderungsprozess. Ganzheitliches Denken ist eine Voraussetzung für den Veränderungserfolg.

Diese ganzheitliche Betrachtung gelingt Managern wie Mitarbeitern selten. Sehr oft liegen genau hier die Schlüsselthemen für Resignation und das Scheitern von Veränderungen. Dabei lassen sich Skepsis und Resignation vor Veränderungen laut Torsten Park oft einfach ausräumen, durch Kommunikation, die eine sehr hohe Qualität besitzt und dabei Konflikte, die bei Veränderungen immer auftreten, konsequent adressiert. Natürlich verstehen Mitarbeiter, wenn eine Abteilung aus Kostengründen ins Ausland verlegt werden muss. Aber Verständnis dafür beseitigt nicht die persönlichen Ängste, die ein solcher Umzug mit sich bringt. Da geht es um das Kind und die Schule, die Großeltern und das Altersheim und um die Hypothek für das neu gebaute Haus. „In Change-Projekten wird diese menschliche Dimension zu selten bedacht“, sagt Park.

Die Mitarbeiter, auch die mittlere Führungsebene, werden zu wenig involviert. Sie werden vor nackte Tatsachen gestellt. Die Konsequenz ist sinkende Motivation und fehlendes Engagement. Dabei sollte man die Frage stellen, wer letztlich die Veränderungen umsetzen muss und wie man die volle Mitwirkung dieser Personen möglichst früh ins Boot bekommt. Laut einer aktuellen Harvard-Studie haben 45 Prozent der Manager Angst vor schwierigen Entscheidungen. 47 Prozent der befragten Manager können die Argumente für die letzten Veränderungsprozesse in ihrem Unternehmen nicht nachvollziehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Manager ihre Entscheidungen der Belegschaft nahe bringen können. Das Resultat der Harvard-Untersuchung: Die meisten Mitarbeiter meinen, dass es der Unternehmensleitung an Change-Management-Qualitäten mangelt. Jeder zweite Top-Manager versage bei großen Veränderungsprozessen. In der mittleren Führungsebene seien sogar zwei von drei Managern schlechte Veränderer.

Laut Studie wehren sich sogar immer mehr Führungskräfte selbst gegen Veränderungsprozesse. „Die Erfahrung mit Transformationsprojekten in großen und mittleren Unternehmen zeigt, dass die Leistungsfähigkeit der Manager vielfach überstrapaziert wird. Anspruch und Können klaffen weit auseinander“, postulieren Martin Classen, Vizepräsident bei der Unternehmensberatung Capgemini, und Felicitas von Kyaw, Prinzipal bei Gapgemini, in einem Aufsatz. „Diese Überforderung führe verstärkt zu einem eigennützig motivierten Verhalten. Die Führungskräfte können oder wollen nicht mehr einer gemeinsamen Linie folgen“, sagen die Experten.

Wie Torsten Park aus seiner Praxis weiß, kann eine reflektierende Sicht mit ganzheitlichen Überlegungen, die eben nicht nur den eigenen Denkpfaden entsprechen, helfen. „Im Veränderungsalltag fehlt die Frage nach dem Wieso. Es braucht ein gemeinsames Verständnis der Veränderungsrichtung und der angestrebten Zukunft. So ist es bei Outsourcing-Projekten zwar wichtig, Entscheidungen schnell und konsequent zu treffen. Allerdings muss den Beteiligten mehr als der rationale und messbare (blaue) Sinn erklärt werden - ansonsten fehlt das Verständnis für die anderen Punkte. Und das erfordert Instrumente, die auf Kernthemen fokussieren, alle beteiligten Personen abholen und die relevanten Herausforderungen konsequent adressieren“.

Hier leistet das HBDI-Instrument einen Beitrag. Es schafft ein Wahrnehmungs- und damit ein zwischenmenschliches Prüfsystem, mit dem sich alle wesentlichen Dimensionen der Veränderung ansprechen lassen. Wenn Veränderungen schrittweise durch die Brille des Herrmann-Modells betrachtet und verarbeitet werden, wirken sie für Mitarbeiter nicht aus der Luft gegriffen. Das Modell stellt quasi die Plattform zur Verfügung, alle Themen anzusprechen. Auf dieser Grundlage haben die zu ergreifenden Maßnahmen für die Mitarbeiter Substanz und Glaubwürdigkeit. Das schafft Vertrauen in die Veränderung und die damit verbundene Umsetzung. „Das Verständlichmachen wirkt wie eine Befreiung. Den Mitarbeitern wird klar: Wir wissen, es tut weh, es macht uns keinen Spaß und trotzdem tun wir es, weil es Sinn macht.“

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